Das Plebiszit bleibt das verlässlichste Messinstrument, um gesellschaftliche Stimmungen zu ergründen. Es gibt keinen Beleg dafür, dass es den Prüfungen der globalisierten Welt nicht gewachsen wäre. Und es stärkt das Verantwortungsgefühl des Einzelnen für das Staatswesen. Plebiszite sind eine Ergänzung zu einem funktionierenden parlamentarischen Betrieb. Sie unterstützen das politische Echolot, indem sie Signale verstärken, welche die Bevölkerung „nach oben“ sendet. Ja mehr noch: Die direkte Demokratie ist auch eine Kontrollinstanz für die politische Klasse. Zum Wohle aller.

Peer Teuwsen, in: Alle Macht dem Volk

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Sir Anthony B. Atkinson, „Vorbild für eine ganze Generation junger Ökonomen“ (Thomas Piketty), verwendete das Wort Gegenmacht in seinem letzten großen Werk Ungleichheit ganz bewusst. Denn MACHT braucht nicht nur Kontrolle von Einigen für Wenige. Sie benötigt vielmehr – auch abseits populistischer Bauchentscheidungen – Delegierte, die sich um einen Interessenausgleich bemühen und sich deshalb mit ihren Themen beschäftigen … im doppelten Sinne des Wortes. In der Schweiz ist dies gelebte und tausendfach erprobte Tradition.

Ein Ergebnis davon zeigt sich beim Anteil der Spitzeneinkommen im Vergleich zum Anteil jener Menschen, die (überwiegend) unfreiwillig in Armut leben:

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Armut und Anteil der Spitzeneinkommen in ausgewählten Ländern (etwa 2010)

Die ausgewogenen (und vielleicht gerade deshalb auf einem hohen Niveau befindlichen) Einkommensverhältnisse in der Schweiz kommentierte Anthony B. Atkinson so:

„11 der 15 Länder befinden sich entweder in dem Kasten oben rechts oder in dem Kasten unten links. Nur der Schweiz scheint es gelungen zu sein, Armut unter dem Median mit einem Anteil an Spitzeneinkommen über dem Median zu verbinden. In der Regel geht höhere Armut mit einem höheren Anteil an Spitzeneinkommen einher.“ (Ungleichheit, S 38)

2017-03-18_zeitzeichen_S-11_ILO_Arbeitsmarkt-aktiv-gestalten_gesetzl-hoheit-bei-nationalstaatenRahmen wie Gesetze oder Werthaltungen sind als Armut „begünstigende“ soziale Faktoren FAIRänderbar. Dasselbe trifft auf Wirtschaft, Politik oder soziale Gruppen zu, die ebenso Variablen wie „Zustände“ sind, die eine „innere Bekehrung des Menschen zum Guten“ ermöglichen können. Die damit verbundenen Aufgaben sind nicht an die nächstbeste Organisation – womöglich im Ausland! – zu delegieren, sie sind vielmehr aus der Mitte unserer Gesellschaften heraus und in Eigenverantwortung selbst zu organisieren und in der gesamten Breite aller betroffenen Randgruppen darzustellen.

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Andernfalls werden die Interessen der einen weiterhin gegen jene der anderen sozialen Gruppen abgewogen, um mit Hilfe der entsprechend machtvoll vorgetragenen Argumentation – wie bisher – politisch unberücksichtigt zu bleiben.

In den meisten anderen Ländern außerhalb der Schweiz wird daslogo_konsent-kulturpreis Gemeinwohl stärker von Partikularinteressen beeinflusst. Doch subsidiäre Gegenmacht und ihre Wirkung auf die nationale Gesetzgebung sollte in jeder Demokratie erfolgreich initiiert und kulturell verankert werden (können). Einen Anfang dazu bieten regionale KONSENT-KULTURpreise.

Die geeignete Form der politischen Einflussnahme mit dem Fokus auf bestimmte Themen können auch spezifische ZivilFAIRsammlungen leisten, wie zB ein Parlament der Arbeit Suchenden. Die Zukunft wird zeigen, wie sinnvoll es ist, diese in nationale FAIRsammlungen der Zivilgesellschaft zu integrieren.

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*| Das in der Überschrift verwendete Zitat steht im eingangs erwähnten Werk („Ungleichheit„) von Anthony B. Atkinson auf Seite 191 in folgendem Kontext: „Wenn Menschen auf Null-Stunden-Verträge ohne Lohngarantie eingehen, so deshalb, weil sie auf dem Arbeitsmarkt machtlos sind. Wie erwähnt, müssen wir Vorkehrungen treffen, um ein gerechtes Machtgleichgewicht zwischen den Parteien solcher Verhandlungen herzustellen – mit anderen Worten, wir müssen die Gegenmacht der Verbraucher und Arbeitnehmer stärken. Meiner Meinung nach sollten wir sogar noch einen Schritt weitergehen.“


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3 Kommentare zu „„…, wir müssen die Gegenmacht der Verbraucher und Arbeitnehmer stärken“*

  1. Wenn 228 Jahre nach der Französischen Revolution die Macht in der Grande Nation http://orf.at/stories/2390651 zur Hälfte mit Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft geteilt wird, dann wird erst die Zukunft zeigen, inwieweit damit auch Probleme der Machtverteilung zugunsten sozialer Randgruppen gelöst werden – http://bidok.uibk.ac.at/library/karstedt-randgruppen.html#idp7728928

    Andernfalls und in Ermangelung der Übertragung französischer Verhältnisse in andere Demokratien bleibt einstweilen nur der Weg in Richtung Bündelung gemeinsamer Interessen und politischer Forderungen von und für die bislang Ausgegrenzten – http://www.armutskonferenz.at/aktivitaeten/sichtbar-werden/sichtbar-werden-x-parlament-der-ausgegrenzten-im-oktober-2016.html

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