
Gesellschaftliche Teilhabe: was ist das?

Auf dem Weg zu einer partizipatorischen Demokratie
Verstärkt wird dieser Aspekt noch zusätzlich durch eine niedrigere Wahlbeteiligung jener, die ohnehin bereits am sozialen Rand der Gesellschaft leben:
Die Kritik von Cornelia Koppetsch ernst nehmend und vielleicht auch als Beitrag zur „Rettung“ der Demokratie sollten wir die Grenzen unserer gruppenbezogenen Weltsichten sprengen und gesellschaftliche Teilhabe mittels „Brot, Wahlen & Spielen„ forcieren.
Begünstigt wird dies durch die Tatsache, dass
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Wahlbeteiligung auch unter den Studierenden über Jahrzehnte hinweg gesunken ist und im Jahr 2021 schließlich demokratiepolitisch bedrohliche Ausmaße angenommen hat:
Die Nationale Armutskonferenz (nak) hat diesbezüglich das Positionspapier „Soziale Teilhabe und ein menschenwürdiges Existenzminimum“ erarbeitet. Zwei Vorschläge daraus lauten:
- Um Armut zu überwinden, sind Beiträge, Hilfen und Dienstleistungen zur sozialen Teilhabe nötig, die sich nicht unmittelbar an arbeitsmarktpolitischen Erfolgsindikatoren messen lassen.
- Für eine Verbesserung der sozialen Teilhabe ist eine funktionierende soziale Infrastruktur vor Ort, gerade auch in benachteiligten Stadtteilen, unerlässlich.

Auszüge aus einem Beitrag von Ulrike Famira-Mühlberger in: „PERSPEKTIVEN FÜR SOZIALEN FORTSCHRITT – SOZIALINVESTITIONEN HABEN EINE MEHRFACHDIVIDENDE„, hrsg. von Adi Buxbaum im August 2014, S 27ff
Widerstände in Politik und Gesellschaft
Die folgenden Auszüge aus “Die Verharmlosung der Armut” von Christoph Butterwegge:
- Erfolge im Kampf gegen die relative Armut sind viel schwerer zu erringen als im Kampf gegen die absolute Armut (Anm.: siehe Chile), weil die Einkommensverteilung so beeinflusst werden muss, dass niemand zu weit nach unten vom Mittelwert abweicht. Denn im Unterschied zur absoluten Armut, der man auf karitativem Wege, das heißt mit Lebensmitteltafeln, Kleiderkammern und Möbellagern begegnen kann, erfordert die Bekämpfung der relativen Armut, dass man den Reichtum antastet.
- Hier dürfte auch einer der Gründe dafür liegen, warum die Existenz relativer Armut gerade von Personen in Abrede gestellt wird, die zu den Privilegierten, zu den Besserverdienenden und zu den Vermögenden gehören.
… und aus dem bereits erwähnten Gastkommentar von Ulrike Herrmann: Die Mittelschicht betrügt sich selbst:
- Die deutsche Mittelschicht stellt die meisten Wähler, verliert aber immer mehr politischen Einfluss. Schuld ist das Bürgertum selbst: Es grenzt sich von den Armen ab, wähnt sich an der Seite der Vermögenden – und stärkt damit genau jene, die sich auf seine Kosten bereichern.
- Im Kampf um die eigene Karriere entgeht der Mittelschicht, wie unerreichbar die Eliten sind, die ihren Status nicht etwa durch Leistung erwerben, sondern von

Generation zu Generation vererben: Die obersten zehn Prozent besitzen bereits 61 Prozent des gesamten Volksvermögens und kassieren 36 Prozent aller Einkünfte. Die Mittelschicht überschätzt ihren Status aber auch, weil sie viel Kraft und Aufmerksamkeit darauf verwendet, sich vehement von der Unterschicht abzugrenzen. Nur zu gern pflegt die Mittelschicht das Vorurteil, dass die Armen Schmarotzer seien. So meinen immerhin 57 Prozent der Bundesbürger, dass sich Langzeitarbeitslose „ein schönes Leben auf Kosten der Gesellschaft machen“. Aus dieser Verachtung für die Unterschicht entsteht eine fatale Allianz: Die Mittelschicht wähnt sich an der Seite der Elite, weil sie meint, dass man gemeinsam von perfiden Armen ausgebeutet werde. Die Mittelschicht wird so lange für die Reichen zahlen, wie sie sich selbst zu den Reichen zählt.
… weisen auf Widerstände in der Gesellschaft hin, die weniger auf dem Weg zu einem investiven Sozialstaat zu überwinden sind, als vielmehr im Zuge einer absichernden Sozialpolitik, denn:
Zur angedachten “Strukturveränderung des Sozialstaates” und den politischen Kräften, die dahinter wirken, schreibt Lea Elsässer in “Ungleiche politische Repräsentation und sozialstaatlicher Wandel” (S 553):
“Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse das Argument, dass der Umbau zu einem weniger absichernden und stärker beschäftigungsfördernden Sozialstaat von der Unterstützung mittlerer und oberer sozialer Klassen getragen wird. Der Ausbau sozialinvestiver Leistungen wurde dabei aber sowohl von unteren als auch von oberen sozialen Klassen stark befürwortet, wohingegen die maßgebliche Konfliktlinie in Bezug auf die Kürzungen in der absichernden Sozialpolitik verlief*. Dass Ausweitungen ausschließlich dann stattfanden, wenn die jeweilige Maßnahme auch von oberen Berufsgruppen befürwortet wurde, zeigt, dass untere Berufsgruppen höchstens ‘coincidental representation’ (Enns 2015), aber keine substantielle politische Repräsentation erfahren. Dies gilt im gesamten Untersuchungszeitraum – und damit auch für Regierungskoalitionen unterschiedlichster Couleur. Dieser Befund kann aus demokratietheoretischer Perspektive auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Gruppe der Arbeiter/-innen zahlenmäßig kleiner geworden ist, da im gleichen Zeitraum der Anteil der Angestellten im unteren Dienstleistungssektor stetig größer geworden ist – und diese gleichermaßen von der Schieflage politischer Repräsentation betroffen sind.”

Wo sollen wir also ansetzen, damit wir den Kampf gegen Armut nachhaltig gewinnen?
Weitere Hinweise für die Suche nach Antworten

In seinen tweets vom 23. Oktober 2019 weist Markus Marterbauer darauf hin, dass unser Sozialstaat in Österreich mittels Steuern und Beiträgen ausgebaut wurde und die angebliche Schuldenfinanzierung somit eine neoliberale Mär ist.

*| Hervorhebungen vom Autor dieses Beitrags
Die Inhalte hier basieren auf den Vorbereitungen zum Workshop „Gesellschaftliche Teilhabe“ im Rahmen der ersten Tagung des Armutsnetzwerks Steiermark am 29. 10. 2019 zum Thema „Der Sozialstaat sind wir alle„.
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